Vor ein paar Wochen hatte ich vom Beginn der Eisangelsaison in Mittelschweden berichtet. Am vergangenen Wochenende war ich nun selbst für vier Tage vor Ort und erlebte ein Angeln von ganz besonderem Reiz.
Wer Interesse an diesem “exotischen Angeln” hat, der findet am Schluss des Beitrages einige Hinweise Die fahle Wintersonne verbreitete soeben ihr schwaches Licht als wir früh am Morgen das blanke Eis des Schärengartens vor Stockholm betraten.Die Schlitten mit der Angelausrüstung hinter uns herziehend machten wir uns auf den Weg Richtung anderes Ufer. Tauwetter hatte das Eis glatt gemacht, doch Dank der Spikes unter den Stiefeln kamen wir einigermaßen vorwärts. Schließlich fanden wir eine Stelle, an der es einigermaßen trocken war, so dass wir unsere Sachen nicht in die Pfützen auf dem Eis stellen mussten.
Zunächst bohrten wir eine Reihe von Eislöchern im rechten Winkel vom Ufer. So konnten wir am schnellsten feststellen in welcher Tiefe sich die Räuber heute aufhielten. Während Hans mit dem Eisbohrer arbeitete, folgte ich ihm und bestückte die Ruten mit Köderfischen. Wir angelten mit kurzen, ca. 90cm langen Eisruten, die mit einer Multirolle versehen waren. Diese Ruten steckten wir schräg ins Eis. Am Ende der Gerte befand sich ein Federstahlbügel mit einer kleinen Aalglocke und einer orange-roten Plastikscheibe. Er diente als Bissanzeiger und hielt den Köderfisch in der richtigen Tiefe. Wir fischten ohne Pose, nur mit einem Stahlvorfach, Drlling und einer kleinen Bleikugel um die Köderfische am Grund zu halten. Als erstes lotete ich aus. Anschließend machte ich eine Schlaufe in die Schnur und hängte diese ans Ende des Federstahls ein. Der Köderfisch verschwand im Eisloch. Durch das Gewicht des Fisches bog sich nun der Bissanzeiger etwas runter, ohne dabei aber die Schnur freizugeben.
Beißzeit Ich war gerade beim dritten Eisloch als ein kurzes “Pling” den ersten Biss signalisierte. Die rote “Fahne” des Bissanzeigers am zweiten Loch wippte hin und her. Ein Hecht hatte Gefallen an meinem Rotauge gefunden. Mit der Plötze im Maul schwamm er davon. Die Schlaufe hatte sich dadurch gelöst und den Federstahl hoch schnellen lassen. Langsam zog der Räuber Schnur von der Multirolle. Ich ergriff die Rute, schaltete den Freilauf aus der Rolle und nahm vorsichtig Fühlung auf. Mit einem langen, weichen Schwung nach hinten trieb ich den Drilling in den Kiefer des Hechtes. “Ja! Der sitzt!” Ich spürte, wie der grüne Räuber versuchte sich dem Zug nach oben zu widersetzen. In einer langen Flucht nahm er mir einige Meter Schnur von der Rolle. Vorsichtig pumpte ich den Fisch in Richtung Eisloch. Es dauerte jedoch noch eine ganze Weile, bis ich den Hecht zum ersten Mal unter dem Eis sehen konnte. Ein faszinierender Anblick! Unter dem glasklaren Eis hatte ich das Gefühl direkt auf dem Fisch zu stehen. Dem Hecht schien das gar nicht zu gefallen. Mit einer erneuten Flucht verschwand er wieder in der Tiefe. Die meiste Kraft hatte er aber bereits verloren und so gelang es mir schließlich den Zehnpfünder durchs Eisloch zu ziehen. Der Haken saß perfekt im Mundwinkel. Schnell befreite ich den Hecht vom Eisen, bevor ich ihn mit dem Kopf voran durch das Eisloch wieder in die Freiheit entließ. Rasch beköderte ich die Rute neu und machte mich dann daran die anderen Ruten zu bestücken. Weit kam ich jedoch nicht, als ein erneutes Geklingel einen Biss signalisierte. Noch während ich mit diesem Hecht beschäftigt war, hatten wir an einer weiteren Rute einen Biss. So drillten Hans und ich schließlich im Duett. Kaum hatte ich meinen Fisch in die Freiheit entlassen, attackierte ein Esox schon wieder unsere Köder. Die Bisse kamen jetzt Schlag auf Schlag. Einmal konnte ich noch nicht einmal die Schlaufe in den Bissanzeiger hängen. Die Schnur wurde mir förmlich aus den Fingern gezogen, kaum dass ich das Rotauge im Eisloch versenkt hatte.
36 Hechte an einem Tag Nach vier Stunden Action fanden wir endlich Zeit eine Tasse Tee zu trinken. Bis dahin konnten wir 33 Bisse und 20 gelandete Hechte verbuchen. Hans war etwas enttäuscht, dass wir kaum große Räuber gefangen hatten. Nach seinen Angaben fängt er hier sonst mindestens einen Fisch von über sechs, eher noch sieben Kilo. Doch das ist schließlich relativ. Ich zumindest war mit einem Durchschnittsgewicht zwischen sechs und zehn Pfund durchaus nicht unzufrieden. Bis zur viel zu früh hereinbrechenden Dunkelheit um 16.3o Uhr verging die Zeit wie im Fluge. Es wurde zwar etwas ruhiger als am Vormittag, doch Langeweile kam nie auf. Am Ende des Tages hatten wir 36 Hechte gefangen. Ein tolles Ergebnis, das selbst in den Schären nicht ganz alltäglich ist. Bis auf zwei Speisefische bekamen alle Hechte die Freiheit zurück. Beinahe hätten wir auch noch einen Zander gefangen, doch kurz vor dem Eisloch löste sich der Haken. Schade!
Nicht nur Hechte Am nächsten Morgen schien die Sonne von einem klaren, kalten Winterhimmel. Diesmal waren wir in einer anderen Ecke des Schärengartens. In der Nacht hatte es leichten Bodenfrost gegeben. So war das Eis wenigstens trocken und frei von Pfützen. Auch diesmal kam der erste Biss bevor wir alle Ruten ausgebracht hatten. Doch nach Auslösung des Bissanzeigers rührte sich nichts mehr. Kein Millimeter Schnur lief von der Rolle. Sollte der Fisch den Köder wieder ausgespuckt haben? Mit der Schnur zwischen Fingern versuchte ich zu spüren, was sich in der Tiefe tat. Der Widerstand war stark! Das Rotauge konnte das nicht sein. Ich zog die Rute aus der Halterung und straffte die Leine. Wieder folgte ein gefühlvoller Anschlag. Diesmal fühlte es ich aber anders an als sonst. Nicht das wütende Kopfschütteln eines Hechtes. Es war eher eine zähes Ringen. Schwer war der Druck den ich von unten spürte. Es fühlte sich ein wenig an wie ein kleiner Waller. Doch das war unmöglich. Die leben nicht im Brackwasser. Irgendwann schimmerte es dann bräunlich unter dem Eis. Komisch, was war das nur? Wieder zog der Fisch zum Grund des Schärenarms. Vorsichtig erhöhte ich den Druck und bekam das Tier zum Eisloch. Nun hatte auch Hans mitbekommen, was sich bei mir tat und war näher gekommen. Er hockte gerade am Eisloch um bei der Landung zu helfen als der Fisch das erste Mal in voller Länge am Loch vorbeizog. “Eine schöne Quappe” sagte er. “Verlier die nicht.” Nun hatte sie aber keine Kraft mehr und ließ sich willig an die Oberseite des Eises ziehen. Was für ein toller Fisch. Bräunlich golden glänzte die Quappe in der Morgensonne. Fast vier Kilo wog sie, kein Riese, aber schon weit über dem Durchschnitt.
Viel zu schnell verging die Zeit im schwedischen Winter. Doch nach vier Tagen Eisangeln war ich auch fix und fertig. Ich hätte nie gedacht, dass das so anstrengend sein kann. Vor allem das Gehen auf dem rutschigen Eis ist sehr kraftraubend. Gefroren habe ich keine Sekunde, dazu bleibt keine Zeit. Wenn wir nicht gerade mit Drillen, Hakenlösen oder ähnlichem beschäftigt waren, wurden neue Eislöcher gebohrt und andere Stellen getestet.
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Eis der Stockhomer Schären von Christoph Feige e-mail: Christoph.Feige@t-online.de