Das gibt es doch nicht! Der Schleusengraben, an dem ich heute mein Glück versuche, kocht nur so vor Kleinfisch und immer wieder spritzen kleine Ukeleis und Rotaugen aus dem Wasser, weil sie von den ebenfalls anwesenden Großdöbeln aufgescheucht werden.
Mit hohen Erwartungen hatte ich den Angeltag begonnen. Schnell war einer der bewährten kleinen Spinner montiert und landete direkt vorm Schleusentor. Doch auch nach etlichen Würfen war bis auf einen Fisch, der nach kurzem Drill ausgeschlitzt, nichts passiert.
Also stippte ich schnell ein paar kleine Fischchen um sie an einer gezupften Posenmontage anzubieten. Doch trotz sensibler Montage und mehrfacher Veränderung der Angeltiefe war auch damit nichts zu holen. Anglerschicksal! Sollte dieser triste Wintertag etwa erfolglos enden? Als ich nach einiger Zeit den Köderfisch wechseln wollte, fiel mir das Vorfach aus geflochtenem Material ins Auge. Das war zwar schön weich, im klaren Schleusenwasser aber eben doch recht auffällig. Und beim Spinnangeln? – Da hatte ich doch auch geflochtene Schnur auf der Rolle. Sollte der ausbleibende Erfolg etwa etwas damit zu tun haben, fragte ich mich.
Ich kramte aus meiner Angeltasche eine Spule Fluorocarbonschnur, die ich schon lange mal ausprobieren wollte und band daraus ein neues Vorfach. Die Köderfischmontage war danach nur wenige Minuten im Wasser bis die Pose abtauchte und kurz darauf ein prächtiger Döbel im Kescher lag, der an jenem Tag nicht der letzte bleiben sollte. Manchmal braucht es eben solche Schlüsselerlebnisse um auf fangfördernde Dinge beim Angeln aufmerksam zu werden.
In den letzten Monaten sind Vorfächer aus Fluorocarbon bei mir sehr oft im Einsatz und das bei den verschiedensten Angelarten. Was ist das besondere an diesem Material? Der gewichtigste Vorteil im Vergleich zu herkömmlichen Schnüren ist die fast nicht vorhandene Sichtbarkeit unter Wasser. Fluorcarbon hat fast den selben Lichtbrechungsfaktor wie Wasser und ist darum in diesem Element kaum zu erkennen. Wer eine normale monofile Schnur und eine Fluorocarbonschnur gleichzeitig unter Wasser taucht, sieht den Unterschied. Von der Fluorocarbonschnur fällt eher noch ihr Schatten am Gewässergrund auf als sie selbst.
Insbesondere beim Angeln mit Naturködern jeglicher Art, die stationär oder nur langsam bewegt angeboten werden, schöpft der Fisch keinen Verdacht mehr wegen einer auffälligen Schnur. Doch Fluorocarbon hat noch andere gute Eigenschaften. Da wäre das schnelle Sinkverhalten, die hohe Abriebfestigkeit und die Geschmeidigkeit. Ein Nachteil ist die etwas geringere Tragkraft als bei normalen Monofilschnüren, doch diese lässt sich ausgleichen, weil man wegen der fehlenden Sichtbarkeit ruhig eine Nummer stärker fischen kann.
Die wichtigsten Einsatzgebiete auf denen ich gute Erfahrungen mit Fluorocarbonschnur machen konnte, sind das Naturköderangeln auf Weißfische, das Karpfenangeln und das Spinnfischen. Am obenstehenden Beispiel verdeutlicht kann man sagen, dass beim Friedfischangeln generell überall dort, wo man es mit klarem Wasser und scheuen Fischen zu tun hat, der Einsatz eines Fluorocarbonvorfachs empfehlenswert ist.
An sonnigen und windstillen Tagen hat das Wasser selbst an Gewässern, die normalerweise recht trüb sind, eine hohe Sichttiefe. Fürs feine Friedfischangeln sind 0,10 bis 0,20 mm starke Fluorocarbonvorfächer empfehlenswert. Beim Karpfenangeln mit der Festbleimontage werden Fluorocarbonvorfächer immer beliebter. Hier ist aber nicht unbedingt die geringe Sichtbarkeit ausschlaggebend, sondern eher die hohe Abriebfestigkeit.
Ich selbst konnte mit Fluorocarbon deutlich bessere Erfahrungen machen als mit geflochtenen Karpfenvorfachmaterialien. Mit letzteren verlor ich mehrfach große Karpfen, weil das Vorfach an scharfen Steinen und Muscheln am Flussgrund beschädigt wurde. Mit Fluorocarbon blieb dieser Effekt weitgehend aus. Die Steifheit des Materials ist ein Vor- und Nachteil zugleich. Zwar kann der Karpfen bei der Köderaufnahme schneller Verdacht schöpfen, hat aber kaum eine Chance, den Leckerbissen wieder auszuspucken.
Fehlbisse kommen kaum vor, auch wenn gierige Weißfische versuchen den Köder zu nehmen. Zur Freude des Anglers ist Fluorocarbon günstiger als die meisten geflochtenen Vorfachmaterialien. Zum Karpfenangeln rate ich zu 0,35 bis 0,40 mm starken Fluorocarbonvorfächern.
Viele Spinnangler benutzen gerne geflochtene Schnüre für ihre Angeltechnik. Diese hat dabei zahlreiche Vorteile gegenüber monofiler Schnur, aber auch den Nachteil, dass sie unter der Wasseroberfläche gut sichtbar ist und der Kunstköder so enttarnt wird. Die Folge sind Nachläufer und Fehlbisse. Mit einem mindestens 50 cm langen Vorfach aus Fluorocarbon tanzt der Köder hingegen unverdächtig durchs Wasser.
Besonders Döbel und Barsche reagieren oft sehr misstrauisch auf geflochtene Schnur. Bei einem Vergleichsangeln mit einem Freund fing ich mit dem unsichtbaren Vorfach deutlich besser als er mit durchgehend geflochtener Schnur. Für Döbel, Barsche und Zander empfehle ich 0,20 bis 0,30 mm starkes Fluorocarbon als Vorfach. Gerade in klaren, flachen Teichen, die häufig einen guten Hechtbestand haben, kann ein Stahlvorfach die grünen Räuber abschrecken. Auch wenn Fluorocarbon nicht absolut beißfest ist, so ist die Gefahr eines Abrisses doch eher gering. Auf jeden Fall ist das Material deutlich sicherer als herkömmliches Monofil. Ein 0,45 mm starkes Vorfach sollte es dann aber schon sein.
V. Wilde
28. Dezember 2004 11:25 Uhr (CET)