Rheinlehrgänge…, oder: dem Meister auf die Hände geschaut

Gestern sollte er also sein, der Tag, der so lange auf sich warten ließ und dann so unglaublich schnell vorbei war – doch ich beginne um ca. 2:30…

„Da meldet sich doch gerade der Wecker“, mulmt es durch meinen außen noch kissenwarmen und innen wattig vernebelten Schädel… „Heute sollte ich ruhen, denn die letzten Tage und Wochen waren eigentlich zuviel des Guten – glücklicherweise bin ich als Aufrechtsäuger Vorstandsmitglied der Nahrungskette und muß zu Ernährungszwecken nicht mit mehr oder weniger bezahntem Maul glibbrige Wenigborster vom Bodengrund auflesen, geschweige denn unschuldige Fischbrut erjagen, denn meine Lebensmittel werden von dienstbaren Geistern bereits für mich gefangen, getötet – beziehungsweise hergestellt. Sie lagern frisch in praktischer Plastikverschalung im Drei-Sterne-Kühlschrank und heißen Jagdwurst, Katenrauchschinken und Rahmbutter“, meldet sich auf der Stelle, das viel wachere Gewissen… „Junge, gib alles, denn es wird lohnen – der Meister bittet zum Rheintanz auf Zander“, erwidern umgehend der Bauch und der noch schläfrige Kopf an den immer noch fast ohnmächtigen kompletten Bewegungsapparat… Die nun folgenden zwei Stunden zu beschreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit, zudem nicht wirklich jungendfrei und eigentlich auch nicht von Belang, deshalb ein kurzer Sprung direkt nach Angel Ussat in Dortmund… Wie immer eigentlich viel zu spät, völlig überwältigt vom ersten Eindruck des Ladengeschäfts (das muß mal ein Fußballstadion oder ähnliches gewesen sein), steht er dort, inmitten der bereits fast vollzähligen „Meute“ von Hungrigen, Wißbegierigen und auf den ersten Eindruck hin, auch sehr angenehmen „MitlehrgänglerInnen“… Ausgesprochen nett, ultrakompetent und überraschend ausgeschlafen wirkt er, der legendäre „Dreßman“ der internationalen Raubfischszene, dessen Beiträge in so vielen unterschiedlichen Medien über Jahre hinweg meinen Weg begleiteten… Den kurzen und einprägsamen Tips bzgl. der zu erwartenden Situation am Wasser folgte der gedankliche Blick in die eigene Köderkiste mit der Erkenntnis: „diesen Inhalt solltest du tunlichst ändern“… Gesagt, getan und nun, nichts wie los Richtung Niederrhein, denn es gilt zu lernen und umzusetzen… Schier „endlose“ Gurkerei durch den beginnenden Berufsverkehr des Ruhrgebiets – wobei später allem, was an diesem Tag nichts mit Zandern zu tun hatte, dieses Attribut umgehend verliehen wurde… Erste Stelle: Kiesbeladehafenmündung, Sandstrand, ca. 12° C, heftiger Wind aus allen Himmelsrichtungen… Relativ langer Fußmarsch über nasse Wiesen, stacheldrahtumzäunt, beobachtet von kuhäugigen Wesen, denen das aber ziemlich egal zu sein schien, erstes Rutschen der Socken in den Gummistiefeln, egal, was stören schon Socken?… Zum Fluchen über die äußeren Bedingungen blieb kaum Zeit, denn Uli startete umgehend nach Erreichen der Mündung mit dem Erklären der Angeltechnik, ohne daß bisher auch nur ein Köder Wasserkontakt hatte… Ein Wundern über seine Traumrute aus hochmodularem Kohlenstoff (in Deutschland recht unbekannt, dafür aber in Japan der absolute Renner – für mehr Spaß mit relativ kleinen Kunstködern) ging einher mit dem unbedingten Wunsch nach einem netten Fünfer im Lotto zur Finanzierung der schon fast legendären Stella von Shimano… Voller Erwartung mündeten die ersten „Gehversuche“ mit eigenem Gerät relativ schnell in der auch von Uli, nachdem er es ausgiebig testete, bestätigten Erkenntnis, daß die Zebco Hypercast in 2,70 zu weich ist, was direkten Köderkontakt ungemein erschwert und eine effektive Beschleunigung größerer Kunstköder nahezu unmöglich macht… „Dieser Kontakt ist nicht nur zur sensiblen Köderführung, sondern auch zum ‘Ersehen’ des Gewässergrundes mit all seinen evtl. Hindernissen unbedingt nötig“, lautete die plausible Erklärung – „wart’s ab, wir werden uns noch einige Male im Dortmunder Laden treffen“, waren meine Gedanken dazu… Langsam fand man die Zeit, um Petrus zu verfluchen, Uli beim Fischen zuzusehen, Rutenbrüche bei anderen zu beobachten, einen ersten Hänger an einer „hängerfreien Stelle“ zu produzieren und sich alles in allem darüber zu wundern, was man eigentlich bisher all die Stunden am Rhein getan hat… Achja, die ersten Zander wurden gefangen und Möglichkeiten zum Fotografieren fand man auch: Genug geübt, genug gefroren, zu wenig gefangen, Kaffeedurst und Hunger, reichten als Gründe völlig um kurz vor Mittag den Ort des sich Beschnupperns zu verlassen… Zweite Stelle: Andere Kiesbeladehafenmündung mit anschließendem Buhnenfeld, Steinpackungen, ca. 18° C zu Beginn, heftiger Wind, diesmal jedoch auch von oben lol… Der Fußmarsch dorthin glich einem Eiertanz durch nun kniehohes, kletschnasses Gras in Gummistiefeln auf schon wie selbstverständlich rutschenden Socken, aber was stören schon Socken?… Auf den ersten Blick eine Traumstelle und auch Uli war sehr zuversichtlich, daß dort viele Zander stehen – hatte er doch selbst vor acht Jahren an einem Tag in diesem Bereich 60 Zander überlisten können… Dem intensiven Lesen des Gewässers durch Beobachten der Strömung und den Erklärungungen durch Uli, warum Zander dort und an anderer Stelle eben nicht stehen, folgte meine erste Abrißorgie, jedoch blieb ich nicht allein, denn auch die anderen fanden Gefallen an dieser Form des Besatzes – ungezählte Gummifische verschwanden für immer in den langsam auch sonnenbestrahlten Fluten, Petrus schien aufgewacht und uns im doppelten Sinne gnädig… Der Meister selbst verstand sich auch aufs Fotografieren dieses Fünfunfünzigers, der im Anschluß seine Freiheit wiedergewann: Als gute Köderfarbe stellte sich Weiß für diesen Achtundsechziger, der die Abenddämmerung nicht mehr erlebte und von Uli auf fünf bis sechs Pfund geschätzt wurde, heraus: Viele Fischkontakte folgten (einen eigenen „Mordsbiß“, nur zwei Meter vom Ufer entfernt, konnte ich, Frau Zebco und der eigenen Überraschung sei Dank, nicht parieren), Hitze folgte, Windstille folgte, der erste „elektrische“ Weidezaun folgte, wir folgten dem selbst noch „erfolglosen“ Uli und lernten so ganz nebenbei die Stellen kennen, wo sich im Rhein die Hechtomas aufhalten, ohne sie jedoch überreden zu können mit uns Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen, was auch gelogen war, denn niemand hatte Kuchen dabei… Gegen 18:00 verließen wir diese Stelle, vorbei am natürlichen Kiesbeladehafen, Ulis Erzählungen lauschend – weitere Sockenkommentare spare ich mir hier, ich werde nie mehr welche tragen… Es wurde beschlossen, vom Auto aus zu angeln, zumindest aber eine Stelle anzufahren, die man auch per Birkenstock erreichen konnte, denn die nun folgende Entledigung von den Gummistiefeln glich, zumindest in Ansätzen, der ersten Verschmelzung von Mann und Frau in Jugendjahren… „Atomzander“ am nahegelegenen Kraftwerk Kalkar standen nun auf dem Programm, wobei die ersten Komplettausfälle zu verzeichnen waren, denn einige der LehrgänglerInnen hatten weder Kosten noch Kilometer gescheut und waren aus Marburg angereist… Dritte Stelle: Unterhalb des AKW Kalkar, andere Rheinseite, ca. 20° C, Buhnenfeld, Steinpackungen, kaum Wind, keine Gummistiefel… Der immer noch bestens gelaunte und immer wieder positive Einstellung versprühende Uli sollte an dieser Stelle, wo er seinen bisher größten Lehrgangshecht mit Ansagen fing, nun endlich zu seinem ersten Fisch des Tages kommen, obwohl diesem Zander die nötigen Zentimeter an den, von seiner Frau für die Küche gewünschten 60, deutlich fehlten… Ich selbst beschränkte mich kurzzeitig aufs o.g. Besetzen um dann den Tag damit zu beschließen, dem major domus noch ein wenig zuzuschauen, denn Üben kann ich allein, dieses Erlebnis des „mit den Augen Lernens“ funktioniert aber nur dann, wenn er in unmittelbarer Nähe ist, was aber wahrscheinlich für mich so bald leider nicht wieder vorkommen wird – zu knapp bemessen ist vor allem seine Zeit… Nach herzlicher Verabschiedung folgte eine relativ ruhige Rückfahrt – in Gedanken bei den Stachelrittern und einem Mann, der es binnen eines Tages aufs Angenehmste verstand, ein Anglerleben nachhaltig zu bereichern… Danke… Bericht von Stephan / Frühling


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