Es war wieder soweit, Hechtangeln im schwedischen Västervik stand auf dem Programm und alle waren wieder dabei. Wirklich alle??? Nicht ganz, denn alle meine bisherigen Bootspartner…
…vorangegangener Trips hatten keine Zeit. Hausbau und Nachwuchs kamen potentiellen Angelpartnern in die Quere, und auch meine Frau Ivonne, mit der ich 2006 in Schweden war, bekam einfach keinen Urlaub:-( Was nun? Zufällig konnte ich gegen Ende des letzten Jahres meinen ehemaligen Arbeitskollegen Holger (@hm0017) für die Gummifischangelei begeistern. Außer einigen Friedfischen am Rhein und Forellen aus dem Forellenteich hatte er zuvor noch nicht allzu viel Kontakt mit der Angelei gehabt, geschweige denn einen Angeltrip durchgeführt. Seine Gummifischerfahrung beschränkte sich somit auch auf ein paar Stunden mit mir am Mainzer Rhein, wo er aber zumindest seine ersten zwei Hechtlein fangen konnte. Mit diesem Bazillus infiziert war schnell klar das er für meinen insgesamt vierten Besuch in Västervik mein Bootspartner sein würde. Als dies geklärt war hieß es dann, in den übriggebliebenen Wochen Inventur in der Köderbox zu machen und die verbleibenden Lücken im Sortiment zu schließen. Eine UBS samt Shimano-Rolle hatte er bereits, und die Top – Schwedenköder wie Gufi’s, Zalt, Zam und Buster Jerk waren schnell beschafft. “Du brauchst noch gute Thermostiefel, und ein Floater ist eigentlich ebenfalls ein muß!” predigte ich ihm ein. Die Stiefel waren nicht das Problem, vor der Anschaffung eines Floaters schreckte Holger dann doch erstmal zurück. “Meine Motorradkleidung tut es da doch auch erstmal, alles wasserdicht und recht warm…”, meinte Holger, “und einen Floater kann ich mir dann immer noch kaufen wenn mir das Ganze gefällt und ich öfters auf Tour gehe”. Na gut, aber ich hatte ihn gewarnt…
Am Freitag 17 Uhr ging es dann von Rüsselsheim in Richtung Västervik, mein Buster L natürlich im Schlepptau und den Pin-Code für den Hüttenschlüssel im Kopf. Nach durchgefahrener Nacht kamen wir um 8:30 Uhr in Västervik an. Unterwegs hatten wir schon den einen oder anderen Teilnehmer der über Uli Beyer gebuchten Tour gesehen. “Was macht denn ein nagelneues Buster L hier in Schweden mitten in der Nacht auf der Autobahn, das kann doch nur Kay (@releaser84) und sein Bootspartner Matthias sowie deren zwei Angelkumpels sein” sprudelte es mir sofort aus dem Mund als ich während meines Schönheitsschlafes mal kurz die Augen öffnete und Kays neues Boot beim Überholen erblickte. Heiß wie Jungs auf junge Mädels vor der Disco standen wir dann alle in Erwartung etwas gereifterer Hechtomas am Angelcamp erstmal vor verschlossenen Türen. Jens (@Forellenfreund) und Martin gesellten sich ebenfalls dazu, auch sie hatten wir unbewusst schon auf der Fähre erblickt. Allesamt hatten wir dann aber das gleiche Problem, der Automat am Eingang war wohl wieder mal von der „Vereinigung schwedischer Hechte“ sabotiert worden und akzeptierte keinen unserer Pin-Codes. Kein Schlüssel – keine Hechte, das ging nun wirklich nicht!!! Also den Campbetreiber angerufen und eine halbe Stunde später konnten wir unsere Hütten beziehen.
Jetzt hieß es schnell die Klamotten ausladen, Boot ins Wasser lassen und rauf auf’s Wasser, schließlich soll sich die nächtliche Anreise lohnen und der somit gewonnene Tag bestens ausgenutzt werden. An Schlaf nachholen dachte jetzt sowieso keiner…
“Wir starten in der Old Bay, dort sind die dicken Omas zu finden, und ich weiß auch wie man die fangen kann” waren meine großspurigen Worte zu Holger als wir loslegten. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt… Meine ersten zwei Stellen für sichere Hechte zum “Warmfischen” brachten keinen Erfolg, das hatte mich dann gleich etwas stutzig gemacht. Und als wir auch an vermeintlichen Großfischstellen, soweit es sowas überhaupt gibt, nur kleine Hechte zum Biß überreden konnten, war hier doch irgendwas anders als in den letzten Jahren. “Die Hechte stehen auf 8m, wir haben sogar fette Sicheln auf 12m gesehen” berichtete Kay als wir ihn auf dem Wasser trafen. Durch die vergangenen kalten Nächte hatten sich die Hechte wieder von den flacheren Schilfkanten ins tiefe Wasser zurückgezogen. Somit war es nichts mit meinen Erfahrungen der letzten Jahre, neue Stellen mussten gesucht und gefunden werden. Angeln kann ja so abwechslungsreich sein… Zumindest konnten wir am ersten Tag immerhin noch 9 vorwiegend kleine Hechte landen, wobei aber Matthias schon den ersten “Meter” landen konnte. Holger schlug sich auch prächtig, fing er doch an seinem ersten Tag gleich mal mehr Hechte als ich – Respekt!!! Als persönliche Pleite für mich kann ich dann noch verbuchen, das er 80% dieser Fische mit dem von mir ausgeliehenen großen Buster Jerk fing, auf den ich trotz einem Jahr intensiver Benutzung noch nicht mal einen Biß hatte:-(
Totmüde fallen wir an diesem Tag dann ins Bett, um am Sonntag bereit zu sein für die “echten” Schären. Besonderes Erlebnis für Holger ist hierbei auch, das man im glasklaren Wasser der Schären dem Köder nachlaufende und oft dann auch zuschnappende Hechte beobachten kann. Krönung des Tages ist für mich, als ein richtiges U-Boot von geschätzten 1,10m nahe an unserem Boot vorbeischwimmt. Er zeigt zwar kein Interesse an meinem Zalt, ist aber definitiv der größte Hecht den ich je im Wasser schwimmend beobachten konnte. Wie am Vortag zeigt sich dann auch Holgers Talent, fängt er doch eine zweistellige Anzahl von Hechten und mit einem schönen 89er auch seinen größten Hecht der Tour.
Nach diesem “Warmfischen” erfahren wir dann von mehreren Meterhechten der anderen Angler aus der Old Bay, damit steht das Angelrevier für Montag fest.
Montag früh dann das böse Erwachen: “Es regnet” wecke ich Holger aus seinem Tiefschlaf, “aber es gibt ja kein falsches Wetter – nur falsche Kleidung”. Wie war dieser Spruch sein sollte bekommt Holger dann im warten Sinne des Wortes “eiskalt” zu spüren. Zunächst wird uns ganz warm ums Herz als die ersten Würfe heftigste Bisse aggressiver Hechte und auch die ersten 4 Fische bringen. Der größte hat 96cm, kein schlechter Start in den nasskalten Tag.
Nach diesem Fisch stellen aber die Hechte ihre Aktivitäten ein, und mit der fehlenden Action kommt das große Zittern. Holger muß am eigenen Leib erfahren was Motorradkleidung dann doch für Nachteile gegenüber einem Floater hat. Erstens nicht wirklich trocken, zweitens nicht wirklich warm. Somit zwingt uns diese Tatsache, der permanente Nieselregen und die kalten Temperaturen zur frühzeitigen Beendigung des Angeltages. Auf dem Nachhauseweg klart es aber noch etwas auf und wir können bei einem Zwischenstopp noch einige Hechte “einsammeln”. “Hätte ich doch bloß den Floater gekauft” trauert Holger, sichtlich an seinen körperlichen Grenzen angekommen, der vertanen Möglichkeit nach, “aber vielleicht hat der Campleiter Daniel ja etwas zum Ausleihen da”. Er hat, und mit einem für nur 5 € ausgeliehenen Floater kann der nächste Tag kommen. Der Wetterbericht sagt zwar nur Bewölkung und ansteigende Temperaturen voraus, aber sicher ist sicher… An diesem Abend treffen wir uns auch erstmals zum Anglertratsch bei unseren Nachbarn Sven (@Forellenfreund) und Martin, Martin (@Martin.Sack) und sein Bootspartner sind auch dabei. Martin Sack outet sich dabei als extremer Hardcoreangler, besonders seine Wallereinsätze in Spanien klingen nach Abenteuer pur und seine Storys sorgen für etliche Lacher. Wer drillt schon einen 2m – Waller vom Kanu und bindet ihn sich anschließend ans Handgelenk, damit er in aller Ruhe Fotos machen kann?!? Vor allem erklär das mal einer der Lebensversicherung, falls der Waller dann doch noch Reserven hatte und die Versicherung das als Selbstmordversuch anerkennt… Um das Verständnis für Aussenstehende zu erleichtern was wir gelacht haben hier Martin in seinem täglichen Angellook mit Katzenmütze samt Wallerbarteln und rosa Spülhandschuhen für die Handlandung. An seinem Blick erkennt man auch was er von Barschen hält…
“Holger, aufstehen!!!” wecke ich meinen Angelpartner Dienstag früh diesmal um 4:15 Uhr. Wir wollen heute erneut solch aggressive Hechte fangen wie am Vortag und haben deshalb den Wecker noch mal eine halbe Stunde vorgestellt. Holger quält sich aus den Federn und wird nach einem Blick nach draußen im Gesicht fast so weiß wie der Schnee der auf unserem Auto liegt. “Der Wetterbericht hat doch wärmeres Wetter vorhergesagt, was soll denn der Mist hier?”. Den Spruch “Das Anglerleben ist hart” kann ich mir dann nicht verkneifen, sind mir solche Wetterbedingungen noch von den Bodden bestens bekannt.
Mit den früh beißenden Fischen wird es nichts, bis zum frühen Nachmittag (als es langsam aufhört zu schneien) konnten wir lediglich 3 Hechte verhaften. Zumindest geht es Holger heute besser, was so ein Floater doch alles ausmacht.
Allerdings kommen kurzzeitig wieder die kalten Ereignisse des Vortages in Erinnerung, als er bei einem Landgang auf einem glitschigen Stein ausrutscht und der rechte Stiefel mit einigen Schluck Wasser geflutet wird. Ohne trockene Ersatzsocken befürchte ich ein erneutes vorzeitiges Ende des Angeltages, aber Holger beißt auf die Zähne und hält durch. “Jetzt probieren wir mal was anderes aus” habe ich langsam aber auch die Nase von den wechselnden Wetterbedingungen die Nase voll. Langsam verziehen sich die Wolken und es kommt die Sonne brennend zum Vorschein. Wir verlagern unser Tun auf die windabgewandte Seite der Old Bay, fangen in unserer Kleidung schwitzend einen Hecht nach dem anderen und können am Abend 22 Hechte ins Fangbuch eintragen. Verrückte Welt… Verrückt auch die Anzahl von 9 Pflastern, die ich nach diversen Handlandungen an den 5 Fingern meiner linken “Greifhand” zum Stillen des Blutverlustes anbringen musste. Irgendwie hatte ich an diesem Tag verschiedentlich Pech beim Landen, und zu allem Übel auch noch meinen erstem “Zahnkontakt” mit Hechtzähnen überhaupt.
Obwohl wir im Gegensatz zu den meisten anderen Teams noch nicht den gewünschten Großhecht im Boot hatten, verlassen wir die Old Bay mittwochs wieder und fahren in die südlichen Schären. Für den Rest der Woche ist jetzt Kaiserwetter vorhergesagt, also wird es wieder mal Zeit für Hechtattacken im glasklaren Wasser. Da dieses Angelrevier auch für mich vollkommenes Neuland ist stecke ich in diesen Tag nicht allzu hohe Erwartungen. Zunächst heißt es Angelplätze suchen und Fische finden, aber das gestaltet sich dann doch nicht allzu schwer. Mittlerweile hat auch Holger gelernt wie man einen potentiell guten Hechtangelplatz erkennt und gemeinsam finden wir reichlich davon. Dieser Tag macht richtig Laune, und Holger fängt mit seinem letzten Fisch unseren vierzigsten Hecht des Tages.
Die Durchschnittsgröße ist zwar etwas kleiner, aber kurz vor Feierabend reißt es mir an der letzten Angelstelle dann noch fast die Rute aus der Hand. “Boah – was ein Biss” bin ich total erschrocken, aber der Fisch hängt zunächst mal. “Das war der härteste Biss den ich je hatte” sprudelt es mir gleich heraus, während der Fisch ganz ruhig und tief am Grund langsam aus der kleinen Bucht in Richtung unseres Bootes schwimmt. “Da bin ich mal gespannt wie groß der ist” sage ich zu Holger, der in Anbetracht der bisher an diesem Tag gefangenen 38 kleinen und mittleren Hechte nicht so recht glauben kann das sich jetzt kurz vor Feierabend daran was ändern soll. Wir werden es nie erfahren, denn kurz vor dem Boot ist der Hecht ausgestiegen, ohne das wir ihn zu Gesicht bekommen haben. Zu Gesicht haben wir aber auch einen kleineren Hecht bekommen, der etliche Verletzungen hatte.
Der Donnerstag sollte uns dann noch mal in die nördlichen Schären führen, schließlich gibt es ja da noch die 1,10m Hechtoma, die noch auf ihren Fänger wartet. Allerdings soll das nicht unser Tag werden, wir können nur 8 Hechte überlisten. Zumindest gelingt mir der Fang eines 95er Hechtes, mein größter Schärenhecht.
Am letzten Angeltag klingelt der Wecker erneut um 4:15 Uhr, denn die Hoffnung auf eine Fat Lady stirbt zuletzt. Außerdem ist Freitag der 13., eigentlich für mich immer ein guter Tag. Wir starten am oberen Ende der Old Bay, wo am Montag bereits der 96er gebissen hatte. Und es geht auch genauso los: 1. Wurf, Biß! Ein halbwüchsiger Hecht schnappte sich meinen Kopyto. Zweiter Wurf, erneut Biß!!! Diesmal deutlich mehr Zug am anderen Ende, und nach erfolgreicher Handlandung messen wir wieder 95cm. Da der Hecht extrem dick ist wiegen wir ihn und kommen auf ein Gewicht von glatten 15 Pfd.
Danach aber das gleiche Spiel wie am Montag, nach dem guten Fisch war hier nichts mehr zu holen. An anderen Plätzen läßt sich zwar noch der eine oder andere Hecht überlisten, aus dem ersehnten Meterhecht wird es aber nichts mehr. Dafür entschädigt das Ententeichwetter mit einem herrlichen Angeltag samt extremer Sonnebrandgefahr. Da die Aussicht auf Großfisch schwindet stellen wir die Taktik um auf des “Projekt 50″. Holger ist nämlich nur noch einen Hecht davon entfernt in dieser Woche 50 Hechte zu fangen, eine für ihn zuvor für utopisch gehaltene Anzahl von Hechten, von denen er nicht mal zu träumen gewagt hatte. Auch ich hätte ihm (oder jedem anderen Anfänger) diesen Erfolg nicht zugetraut, besonders im Rückblick auf die doch stark wechselnden Wetterbedingungen. Lange Rede – kurzer Sinn, nach einigen Angelplätzen hat er es dann noch geschafft und mit 52 Stück sein “Personal Best” vielleicht auf Jahre festgeschrieben.
Bericht von Michael S.