Die meist verfluchten Stauseen Ungarns

(Platz 1. Der Herman-Otto-Stausee in Südungarn) Ich liebe Gewässer, die von den meisten Sportsfreunden nach dem ersten Besuch nie wieder ins Visier genommen werden. Von den Gewässerkategorien „schwierig“ über „nahezu unmöglich“ bis „vergiss es“ gibt es in Ungarn erfreulicherweise reichlich.

Als drittes Glied einer imposanten Stauseenkette liegt an der nördlichen Flanke des südungarischen Mecsek-Gebirges in majestätischer Umgebung der etwa 1,5 km langer und 200-500 m breiter Herman-Otto-Stausee. Der kaum 1,50 m tiefer Tümpel beherbergt eine unvorstellbare Masse an Fisch. Mehr als 30 Jahre lang deklarierte man den See und die Umgebung als geschlossenes Naturschutzgebiet. Jedes Herumtreiben um den See mit einem angelähnlichen Gegenstand wurde strengstens geahndet. Karpfen, Hechte, Zander, Welse, Rapfen, Silberkarpfen, Karauschen und Brassen wuchsen in der Zeit zu Größen heran, die jedes Exemplar der deutschen Hitparaden in den dunkelsten Schatten stellen. • An die Unterstände der Fische heranzukommen, ist am Herman-Otto-See ein Unterfangen, das einige Angler bestimmt dazu bewegen würde, sich für einen leichteren Zeitvertreib als das Angeln, zu entscheiden. Unter der Wasseroberfläche erstreckt sich ein dichter, tückischer Wald mit einem Wirrwarr an Geäst, der in Ungarn seines Gleichen sucht und mich stark an die Verhältnisse einiger Flussabschnitte des rumänischen Donau-Delta erinnert. Das langgezogene Tal mit einer sanften Linkskurve wurde bei der Errichtung des Sees samt Baum, Gebüsch, Weidezaun, Feldweg, Fahrrad und Pferdekutsche, einfach geflutet. Ein seltener Ort, wo sogar ungarische Angler konsequent mit nur einem Haken fischen. Erlaubt und üblich sind im Lande zwei. Neben dem Unterwasserwald machen zahlreiche kleine Bacheinmündungen die ohnehin hoffnungslose Lage noch schwieriger. Die Bäche tragen nämlich enorme Menge an Waldboden, Sandstein und Tonerde von den umliegenden Berghängen in den See. Diese schaffen zuerst eine recht unangenehme Brühe, dann einen alles verschlingenden Schlammboden. Einige einheimischen Experten hüten die Lage der verhältnismäßig hänger- und schlammfreien Stellen, wie Grenzschmuggler die mienefreien Pfade eines Kriegslandes. Zielgerichtete Kneipengespräche, inklusive Bestechungsversuche mit hochprozentigen Spirituosen blieben – die Lüftung der Geheimnisse betreffend – erfolglos. Der einzige Ratschlag, der mich bereicherte hieß: Junge, fische ohne Blei und Haken! Besser noch, ohne Schnur! Ein Echolot bringt Sie auch nicht weiter. Selbst Broadwiew-Geräte, wie der TriFinder2, versagen unter solchen Bedingungen. Mit unendlich viel Mühe konnte ich lediglich einige der 3 m Löcher und das verschlammte Flussbett andeutungsweise ausfindig machen. • In dieser „freundlichen“ Umgebung fische ich auf Karpfen logischerweise extrem flach oder sogar direkt auf der Oberfläche unter Sichtkontakt zum Köder. Für dauerhaft schwimmende Köder (Pop-Up-Boilies, getrocknete Insekten, qualitative Schwimmbrotsorten, Marshmellows, Nüsse usw.) verwende ich nicht einmal eine Pose oder Wasserkugel. Die Montage ist ziemlich einfach: Im Frühjahr und Spätherbst, 0,40-er „Memory Free“ Monofil mit 1 m direkt angebundenem Fluorcarbon Vorfach. Auf die Verbindungsstelle schiebe ich einen ca. 1 cm langen, dünnen Silikonschlauch mit einer „eingebauten“ Schnurschlaufe. Der Schlauch wird mit einem Plastikhalm fixiert. In diese Schlaufe wird ein 7 bis 10 g schweres Karabinerblei schnell eingehängt, wenn ich die Montage bis ins Mittelwasser senken will. Das Fehlen der Pose stört mich auch in diesem Fall nicht. Im Sommer ist das Wasser noch trüber, der eigentliche Vorteil des Fluorcarbons ist in diesem Falle völlig irrelevant, ich kann also auf das teure Material mit gutem Gewissen verzichten. Meine Baitrunner Rollen dürfen diesmal zu Hause bleiben. Glauben Sie mir, hier wird kaum Schnur gegeben. Da die Karpfenbisse bei Ködern in der Größenordnung recht vehement erfolgen, brauche ich in der Regel keine Pose. Die Köderauswahl und Montage beim Karpfenfischen mit der Pose am Grund oder Grundnähe richten sich nach der Bodenbeschaffenheit und Wassertiefe. An manchen Stellen ist der Boden recht hart, die überwiegende Bodenfläche ist jedoch mit tiefem, weichem Schlamm bedeckt. Lange Maisketten, Mistwurm, Kartoffel, Erbsen, Käse, Puffreis, Teig aus Maismehl, sind die gängigsten Köder. Die werden meist unter Verwendung von Auftriebskörpern vom Schlammboden ferngehalten. Es wird vor dem Angeln mit Partikelködern (grobes Maismehl, Hanf, Weizen, weichgekochter Hartmais) mäßig angefüttert. Sehr erfolgreich ist in Ungarn, mitunter auch an diesem See, der englische Hi-Tech-Lockstoff ULTRABITE. Das Boiliefischen ist weniger verbreitet. Vor allem die Vereinsmitglieder lehnen den „Superköder“ aus irgendeinem Grund ab. Noch etwas zum Thema Karpfen: Alltäglicher „Ärger“ beim Stippen auf Köderfisch bereiten die Kleinkarpfen bis 4 Pfund. Die Landung solcher Miniaturen mit der Matchrute mitten im Unterwasserwald erfordert eine gewaltige Portion an Glück. Das anglerische Können wird diesmal zweitrangig. Beim Stippen mit mehr als einer Made, besteht immer die Gefahr eines Karpfenbisses. Wenn der einem erspart wird, sorgen wilde 3-pfündige Karauschen für entsprechende Randale. Das traditionelle Grundangeln bereitete mir stets Horrorstunden, deshalb habe ich es einfach aufgegeben. Bei der gewöhnlichen Distanz des Grundangelns hat man beim Einholen etwa 1000 Möglichkeiten pro Meter Schnur, einen dicken Ast im Wasser zu erwischen. • Der osteuropäische Wels ist ein Allesfresser. Zweifel an dieser weisen Aussage lassen sich an diesem See rasch aus dem Weg räumen. Es wurden Welse mit Eukalyptusbonbons und sogar mit stark laugehaltiger, selbstgekochter Waschseife zur Strecke gebracht. Dementsprechend wird bei der Köderauswahl nicht allzu lange gefackelt. Tauwurmbündel, Hühnerdarm, Leber, alles, was fleischig und blutig und entsprechend ekelerregend ist, wird angeboten. Ich bevorzuge handlange oder größere Karauschen. Die mit Abstand besten Köder sind jedoch der blutsaugende gewöhnliche Blutegel (hirrudo officinalis) der räuberische Pferdeegel (hameopis sanguisuga) und Maulwurfsgrillen. Das bildhübsche Insekt in Fantasy Movie Look wird an der Oberfläche auch von Großkarpfen und Rapfen gerne attackiert. Die zwei Ringelwurmarten sind in Deutschland als Köder kaum beachtet. Ein fataler Fehler, der meiner Meinung nach, für zu viele Schneidertage an Gewässern mit gutem Welsbestand (Rhein, Neckar, Elbe) verantwortlich sein könnte. Unüberlegte Argumente – der heimische Waller kenne die „orientalischen“ Köder nicht, kann ich schwer akzeptieren. Sogar in absolut hoffnungslosen Situationen, in denen mein Gesamtrepertoire an Ködern versagte, retteten mir die beiden hässlichen Würmer fast immer den Angeltag. Auch in Deutschland. Weil besonders Pferdeegel nur mit äußerst mühseliger Arbeit zu sammeln sind, werden sie in Ungarn teuer gehandelt. Das Gerät: Ich benutze eine 240-er Vollglasrute mit vollparabolischer Aktion. Die hochgezüchteten Kohlefaserruten sind zwar sehr attraktiv, ihre Reparatur dauert jedoch in den meisten Fällen ewig lange. Für den Eintritt eines Reparaturfalles haben Sie an diesem See erstklassige Chancen. Am 0,80-er Monofil sind die D.A.M. Shumo Hi-Carbon Einzelhaken in Größen 6/0 bis 10/0 direkt gebunden. Diese sind die schärfsten Haken, die ich fürs Welsfischen gefunden habe. Auf geflochtene Schnur muss ich an diesem See leider verzichten. Während des extrem harten und schnellen Drills wirkt die Nulldehnung nach meinen Erfahrungen besonders hier, eher nachteilig aus. Der Rest der Montage wird der bewährten Bojenmontage entsprechend vorgenommen. In Anbetracht der geringen Wassertiefe ist das Fischen mit dem Wallerholz nahezu zwecklos. Einschlägige Versuche mit extra für diesen See von meinem Freund Janó gebauten, ganz kleinen und schmalen Tellern brachten auch keinen Erfolg. Beim nächtlichen Welsfischen im seichten Wasser erlebt man atemberaubende Szenen. Wer einen 60-pfünder Wels beim Jagen auf der Wasseroberfläche schon erlebt hat, der kennt, wovon ich spreche. Leider sind die meisten guten Welsblinker für den Einsatz auf diesem See angesichts des hohen Gewichts ungeeignet. Auch bei der schnellsten Einholgeschwindigkeit sind Hänger vorprogrammiert. Vor der Schilfwand beträgt die Wassertiefe manchmal weniger als 1 m. Tagsüber sind die Welse trotz der geringen Tiefe des Sees, kaum zu finden. Fangchancen hat man erst in der Dunkelheit. Tipp: An Stellen, wo Sie tagsüber gute Karauschen erbeutet haben, lohnt es sich in der Nacht einen Teil der Beute als Köderfisch zu opfern. Hier am See konnte ich zum ersten Mal beobachten, wie mehrere Welse die Kleinfische regelrecht in eine Ecke des Sees trieben. Die anschließende Fressorgie war im engen Tal überall zu hören. • Hechte hingegen fängt man dicht neben dem Schilf auch am hellsten Tag. Ausnahmen sind vielleicht die beinahe unerträglich heißen Sommertage mit Temperaturen um 35°C. Solche Tage erlebt man in der Gegend allerdings ziemlich oft. Solchen Tagen folgen allerdings Nächte, die gute Fänge versprechen. Zwischen den Bergen sinkt die Luft- und Wassertemperatur etwas schneller ab, die tagsüber eher trägen Fische werden richtig aktiv. Am Tag bringen langsam im Mittelwasser am Schilf entlang geführte Großspinner, Jerkbaits und schwimmende Wobbler gute Fänge von 10-25 Pfund. Die großen Buzzbaits von Grim Reaper sind meine erste Wahl. Tipp: Verwenden Sie kleinere Drillinge oder Einzelhaken und fischen Sie immer mit Stahlvorfach und mit gut dehnbarem Monofil! Sie werden keine Möglichkeit haben, viel Schnur zu geben, also Sie brauchen die Dehnung, als entscheidende Reserve. Fischen Sie mit einer etwas weicheren aber stabilen 270-er Spinnrute! • Auf Zander fischt man am See an härteren Stellen überwiegend mit Köderfisch. Die Weichplastikköder sind hier leider weniger erfolgversprechend. In der Nähe des Staudammes lohnt es sich in der Dämmerung mit mittelgroßen Wobblern oder Spinnern zu versuchen. Das Zanderfischen mit Tauwurm ist hier ebenfalls verbreitet. • Die Rapfen sind im See ungemein schlau. Nachdem ich ihnen den Großteil meines Kunstköderprogrammes vergeblich vorgeführt hatte, griff ich zu der altbewährten Fliege. Die geniale Plattensee-Montage – zigarrenförmiges Endblei mit Drilling und einer vorgeschalteten, am Seitenarm montierten Fliege – brachte endlich den entscheidenden Durchbruch. Herrliche, kampfstarke Exemplare bis zu 10 Pfund sind im See keine Ausnahmen. • Insgesamt bietet der Herman-Otto-Stausee unvergessliches Abenteuer und sehr anspruchvolles Angeln. Vorausgesetzt, Sie fühlen sich der Herausforderung eines nicht gerade „freundlichen“ Sees gewachsen und die etwas unbequeme Seite Ihres Hobbys nicht scheuen. HERMAN-OTTO-STAUSEE Lage: N 46° 10,771′ E 18° 07,308′, Höhe 140 m. 15 km nordwestlich von der südungarischen Großstadt Pécs, vom Plattensee etwa 120 km südöstlich. Der See liegt am Rande eines großen Erholungsgebietes mit gemütlichen Hotels, Pensionen und Restaurants. Fläche: 28,2 Ha Wassertiefe: 0,80-1,50 m, vereinzelt Löcher und Gräben bis zu 3 m Fische: Karpfen, Silberkarpfen, Karausche, Schleie, Wels, Hecht, Zander, Barsch, Rapfen. Reines Angelrevier, keine anderen Wassersportmöglichkeiten. Baden ist verboten! Die besten Angelstellen sind nur mit dem Boot zu erreichen, es sind nur wenige Uferplätze. Tageskarten-Ausgabestellen: Campingplatz in der Gemeinde Orfu, ABC-Laden in Orfü, Lebensmittelgeschäfte um den See, Dorfkneipe in der Gemeinde Tekeres (in unmittelbaren Nähe des Sees) Weitere Ausgabestellen in der Stadt Pécs: Fishmaster-Angelgeschäft Pécs, Megyeri Str. 135. Tel: 413 186 Öffnungzeiten: Mo-Fr: 9-18 Uhr, Sa-So: 6-12 Uhr, Rácvárosi Angelgeschäft Pécs, Rácvárosi Str. 10. Tel: 253 302 Öffnungzeiten: Mo-So: 5.30-18.00 Uhr. Tageskarten kosten derzeit etwa € 8, – Es dürfen mitgenommen werden: 1 Edelfisch, 2 kg Weißfisch Angelzeiten: Am Tag: von 4 bis 22 Uhr, Nachtangeln: nur an Wochenenden von 22 bis 24 Uhr Köder: Tauwürmer, Rotwürmer, Mistwürmer, Maden und die gängigsten Köder und Anfütterungsmaterialien erhalten Sie in allen gut sortierten Angelgeschäften ind der naheliegenden Stadt Pécs. Pferdeegel kann man in einigen Angelläden bestellen. Der ungarische Name des etwa 8-15 cm langen Tierchens lautet: nadály (sprich etwa: nadai) Schonzeiten, Mindestmaße: Die in Ungarn gültigen Schonzeiten und Mindestmaße entnehmen Sie bitte aus dem Anhang der Tageskarte. Zusätzlich zur Tageskarte ist der Kauf einer staatlichen Jahreslizenz vorgeschrieben. Die Jahreslizenz kostet zur Zeit ca. € 5. – Weitere Angelmöglichkeiten in den umliegenden drei Stauseen in etwa 5 km Umkreis. Weitere Infos: [email protected], oder telefonisch in Ungarn:            +36 30 401 6380      .   Ein Bericht von Karl Wekesser.

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